Marzahn-Hellersdorf

Marzahn-Hellersdorf. Ein Bezirk mit gutem Ruf bis billigem Klischee.

Plattenbauten wohin das Auge reicht, als Kontrast schier endlose, teils gut bürgerliche, teils dörfliche Wohngegenden – durchzogen und erschlossen von schmalen und oft schnurgeraden Straßen. Jeweils zur ungefähren Hälfte. Das Image des Stadtbezirks, geprägt durch die charmante Cindy und den Ruf, dass hier besonders viele Hartz-IV-Bezieher wohnen, durchweht förmlich die Gegenden mit Plattenbauten. Aber auch hier ist ein Wandel zu erkennen. Oft sind diese Häuser mit interessanten Methoden saniert worden, in vielen Bereichen ist das Wohnumfeld sehr aufwändig gestaltet worden, die Verkehrsanbindung durch Busse, Tram und S-Bahn ist bemerkenswert.

Während Cindy’s Geist durch die breiten Alleen wie Blumberger Damm, Märkische Allee usw. weht, lebt dieser Stadtbezirk ganz unbeirrt in seiner eigenen Dynamik. Wer hier wohnt, will hier auch nicht weg. Hier wurde hoch gebaut, mit breiten Straßen und üppigen Grünflächen. Zwischen den Wohnhäusern liegen Kindergärten, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärztehäuser. Auch sieht man allenthalben Einkaufszentren, das markanteste ist das „Eastgate“. Wenn man es nicht selbst erlebt hat, fragt man sich heute, wie es zu dieser Ballung von Plattenbauten kam.

Angefangen hat es im Jahr 1973, als die DDR das Wohnbauprogramm beschloss. Jede Familie sollte mit einer Wohnung versorgt werden und somit das Wohnungsproblem als soziale Frage gelöst werden. Die geplanten Wohnungen waren zweifelsohne modern, mit durchdachten Grundrisslösungen, Aufzug, zentraler Heizung und Warmwasser. Sie boten einen ungeahnten Wohnkomfort im Vergleich zu den üblicherweise desolaten Altbauwohnungen mit Ofenheizung, zugigen Fenstern und den Örtlichkeiten auf halber Treppe. Vorerst waren ca. 35.000 Wohnungen geplant, doch diese Zahl wurde stets erweitert. Ende 1977 hatte der in diesem Jahr neu gegründete Bezirk bereits ca. 64.000 Einwohner zu verzeichnen.

Realisierbar waren solche Bauten nur durch eine typisierte Architektur mit rationaler Fertigungsweise. Während die statische Stützkonstruktion vor Ort erbaut wurde, konnten die Wandelemente industriell vorgefertigt werden. Der von den Bewohnern geprägte Begriff vom Wohnen „in der Platte“ war denn auch eher als Lob denn als Abwertung gemeint, zeigte es doch, dass man zu den Privilegierten gehörte, die hier ihr Heim erhalten haben. Auch heute noch ist Marzahn-Hellersdorf die größte zusammenhängende Plattenbausiedlung und gleichzeitig auch das größte Siedlungsgebiet Europas.

Seit der Wende und der Sanierung des Altbaubestandes in den innerstädtischen Bezirken verlor die Platte an Attraktivität. Wer konnte zog weg.

Auch bautechnisch waren die Häuser schnell ein alter Hut. Die meisten Gebäude wurden bereits saniert, ein nicht unerheblicher Teil im Rahmen des Projekts „Stadtumbau Ost“ aber auch abgerissen. So wurden viele Elfgeschosser auf ein drei- bis sechsgeschossiges Niveau zurückgebaut. Insgesamt flossen knapp 61 Millionen Euro in das Projekt, das offiziell seit Mitte 2010 abgeschlossen ist.

Insgesamt ist Marzahn-Hellersdorf zu einem deutlich attraktiveren Wohnstandort geworden, denn der Stadtteil wird zunehmend familienfreundlicher. Er verfügt über genügend Kita- und Hortplätze, es sollen sogar noch 700 weitere Plätze geschaffen werden und auch drei neue Schulen sind in Planung. Eine angemessene Infrastruktur mit vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten und überwiegend guter Verkehrsanbindung ist auch gegeben.

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Dorthin zieht man nicht, wenn man es sich leisten kann, denken viele. Aber so schlimm, wie der Ruf es vermuten lässt, lebt es sich gar nicht im Berliner Osten. Ganz im Gegenteil der Osten wird wieder „hip“. Auch wenn man im ersten Moment nicht darauf kommt, was das Thema Gentrifizierung mit Marzahn-Hellersdorf zu tun hat, so zeigt sich doch ein steter Zuzug von besser- bis gutsituieren Berlinern. Häufig sind es „Heimkehrer“ die hier aufwuchsen und den teilweise spektakulären Blick aus den oberen Hochhausetagen vermissten. Häufiger Auslöser sind die schnell steigenden Lebenshaltungskosten in den Innenstadtbezirken, vor allem für Mieten, die viele veranlassen, sich nach Wohnungen umzusehen, die günstiger im Unterhalt sind. So lässt sich ein zunehmender Wanderungsdruck aus der Stadtmitte an den Rand wahrnehmen.

Somit profitiert dieser Stadtteil ganz deutlich von der Gentrifizierung der angesagten Innenstadtbezirke. Interessant ist nebenbei, dass der sanierte Plattenbau hervorragende Energiekennwerte hat, zusammen mit der vorherrschenden Fernwärmeversorgung wird so aus einem alten Prinzip ein wirtschaftlicher Faktor, der die Mieter entlastet. Alles in allem ist die Wohnzufriedenheit Umfragen zufolge in den sanierten Plattensiedlungen sehr hoch, auch wenn das Leben in der „Platte“ für viele noch immer negativ behaftet zu sein scheint. Für den, der bislang keine Berührungspunkte zu den Hochhaussiedlungen in Marzahn und Hellersdorf hatte, lebt das Klischee weiter. Dies erklärt auch den immer noch höchsten Leerstand aller Berliner Bezirke, bei jüngst rückläufiger Tendenz. Die niedrigen Angebotsmieten fördern die Entwicklung. Wer eine Wohnung in den Ortsteilen Marzahn oder Hellersdorf mietet, zahlt derzeit zwischen 6 bis 10 €/m² Kaltmiete. Das ist in der jetzigen Situation für manchen Wohnungssuchenden attraktiv.

Marzahn-Hellersdorf bietet mehr als nur eine große Plattenbausiedlung und Einkaufsmöglichkeiten wie das Eastgate. Inmitten der Hochhäuser befindet sich z.B. der Erholungspark Marzahn mit den berühmten „Gärten der Welt“. U.a. beherbergt er auf seinen 21 Hektar Fläche den größten chinesischen Garten Europas, einen japanischen, einen orientalischen und weitere Gärten.

Noch zu Mauerzeiten wurde 1987 der Landschaftspark anlässlich der 750-Jahr-Feierlichkeiten als Gegenstück zum (West-)Berliner BuGa-Gelände eröffnet, und steht dem Britzer Garten auch heute in nichts nach. Auch das Wuhletal lädt zu einem Spaziergang auf dem 15 Kilometer langen Wanderweg ein. Insgesamt bietet der Großbezirk neun Parkanlagen und durchbricht somit die hohe Bebauung der Plattenbauten.

Drei von zehn Bewohnern im Bezirk Marzahn-Hellersdorf leben in den ehemaligen märkischen Dörfern Kaulsdorf, Biesdorf und Mahlsdorf. Ortsnamen, die Durchreisende auf der B1/B5 als staubeladenes Eingangstor von Osten ins Berliner Stadtzentrum kennen. Neben den großen Bau- und Gartenmärkten fallen die weiten und zumeist unscheinbaren Einfamilienhaussiedlungen auf. Und das macht den Reiz aus. Hier lässt es sich völlig unspektakulär leben. Alte Eigenheime noch aus den 1930er Jahren in gewachsener Umgebung wechseln sich fast selbstverständlich mit neuen Einfamilienhäusern unterschiedlichster Architektur ab.

Luxuriöse Landhäuser oder auch die mit sehr viel Glasflächen gebauten HUF- und daVinci-Häuser lassen sich hier entdecken. Vorherrschend sind natürlich klassische Einfamilienhäuser der unterschiedlichsten Fertighausanbieter. Entweder als Einzelobjekte oder im Rahmen von zahlreichen Bauträgermaßnahmen in Siedlungen wie beispielsweise Biesdorf-Süd. Insbesondere Kaulsdorf wird von vielen als „Dahlem des Ostens“ bezeichnet – ein zugegebenermaßen abgedroschener Begriff des Makler-Vokabulars, der aber auf die bevorzugte Wohnlage hinweisen soll.

In der Tat ist es so, dass Kaulsdorf als einer der ganz wenigen östlichen Ortsteile im Berliner Mietspiegel als gute Wohnlage eingestuft ist. Aber auch Mahlsdorf und Biesdorf zählen zu den bessersituierten Wohngegenden.

In allen drei Ortsteilen liegt das Mietniveau mit im Mittel 8 bis 10 €/m² Nettokalt deutlich höher als in den dicht bebauten Hochhaussiedlungen im Norden des Bezirks. Die Steigerungsraten liegen in aufstrebenden Lagen des Bezirks bei bis zu 37 %. Bei Kaufimmobilien herrscht wie bisher das Angebot an baureifen Grundstücken vor, wobei die angebotenen Flächen mit 400 bis 500 m² hauptsächlich als Hammer- und Hinterliegergrundstücke offeriert werden. Mit einem Quadratmeterpreis von aktuell über 260 € ist auch hier das Kaufpreisniveau deutlich angestiegen.

Bei Eigenheimen übersteigt die Nachfrage sehr deutlich das Angebot. Nach Jahren stabiler Preise sind in den vergangenen Jahren steigende Preise zu beobachten, marktgerechte Angebote haben ein kurze Verweildauer in den Angebotsportalen. Im Schnitt werden 400.000 € für ein Einfamilienhaus gezahlt.

Baugrundstücke sind ebenfalls sehr schnell angefragt und vergriffen. Wer Eigentum abseits der großstädtischen Hektik sucht, ist in den drei südlichen Ortsteilen von Marzahn-Hellersdorf bestens aufgehoben. Wer noch nie in Hellersdorf oder Marzahn war, sollte sich zumindest einmal auf den Weg machen, und die „Gärten der Welt“ besuchen. Wer hierbei durch die Hochhaussiedlungen streift wird feststellen, dass Cindy ein Klischee ist, obwohl ich manchmal meine, sie flüchtig in der Ferne vorbeihuschen zu sehen, oder vielleicht in der Schlange am Supermarkt? Ein bisschen Wahrheit steckt in jedem Klischee.

  • Das Eastgate ist das größte Einkaufszentrum im Großbezirk. Es eröffnete im Jahr 2005 und bietet eine Verkaufsfläche von 32.000 m² mit 150 Geschäften.
  • Eine Museumswohnung im klassischen DDR-Plattenbaustil kann in Hellersdorf besucht werden.
  • Cindy aus Marzahn“ alias Ilka Bessin wurde in Luckenwalde geboren und lebt in Berlin-Wilmersdorf. In Marzahn hat sie noch nie gewohnt! Übrigens: laut Recherche der BILD gibt es nur 139 „echte“ Cindys in Marzahn.
  • Das BergWerk in Hellersdorf ist der größte Indoor- und der erste Erlebnis-Kletterpark Europas.
  • Auf der Aussichtsplattform des Marzahner Skywalks steht man 70 Meter hoch über der Marzahner Promenade.
  • Die Pyramide ist mit 100 Metern das höchste Gebäude im gesamten Bezirk Marzahn.
  • Die Marzahner Bockwindmühle ist die Rekonstruktion einer bereits im Jahr 1815 in Betrieb genommenen Bockwindmühle. Rund 200 000 „Mahlgäste“ besuchten die Mühle am Dorfrand von Marzahn, seit ihrer Eröffnung 1994.
  • Die „Gärten der Welt“ befinden sich im Erholungspark Marzahn und beherbergen den größten chinesischen Garten Europas.
ÜbersichtMarzahn-HellersdorfBerlinAbweichung
Fläche61,8 km²891,7 km²6,9% Anteil
Einwohner266.6843.711.9307,2% Anteil
Einwohnerdichte4.319/km²4.163/km²+ 3,8 %
Wohnungen136.4881.932.2967,1% Anteil
Wohnfläche je Wohnung71,4 m²73,2 m²- 2,4 %
Wohnfläche je Einwohner36,6 m²38,1 m²- 4,1 %
Personen je Haushalt1,951.92+ 1,7 %
Pro-Kopf-Einkommen mtl.998 €1.015 €- 1,7 %
Arbeitslosenquote6,6 %7,6 %- 13,2 %
Migrantenanteil18,0 %32,5 %- 44,8 %
Ausländeranteil9,9 %19,2 %- 48,6 %
Angebotsmieten (Mittelwert)7,25 €/m²9,83 €/m²- 26,3 %
Angebotsmieten Neubau9,67 €/m²13,24 €/m²- 27,0 %
m²-Preis ETW (Durchschnitt)2.252 €/m²3.292 €/m²- 31,6 %
m²-Preis ETW Neubau3.213 €/m²4.490 €/m²- 30,0 %
Angebotsmieten Häuser (Mittelwert)10,96 €/m²11,82 €/m²- 7,3 %
Angebotsmieten Häuser Neubau12,07 €/m²12,98 €/m²- 7,0 %
m²-Preis Häuser (Durchschnitt)3.002 €/m²3.599 €/m²- 16,6 %
m²-Preis Häuser Neubau3.207 €/m²3.848 €/m²- 16,7 %
Quellen: Statistisches Landesamt Berlin (2018); IBB (2018), BVBI (2019), IS24 (2019)
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Die Bezirksbeschreibung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Objektivität, sondern setzt Schwerpunkte und spiegelt Meinungen der Autoren und Makler der BVBI wider.
Die zusammengestellten Daten haben wir sorgfältig recherchiert, dennoch können wie keine Haftung für deren Aktualität und Geltung für den Einzelfall übernehmen.

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